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Geruch, Geruchssinn

Der Geruch der DDR

Der Geruch des Reinigungsmittels Wofasept, welchem man häufig in der ehemaligen DDR in öffentlichen Gebäuden begegnet ist, wird von den Westdeutschen häufig als bestialisch, aggressiv und dominant beschrieben. Im Gegensatz zu den ehemaligen DDR-Bewohnern, welche den Geruch als angenehm, frisch oder immerhin neutral bezeichnen. Doch was löst in uns aus, wie wir einen Geruch empfinden und in welcher Weise beeinflussen Gerüche unsere historische Wahrnehmung?
Wie wir Gerüche wahrnehmen, hat etwas mit den Erfahrungen, die wir mit dem jeweiligen Geruch gemacht haben zu tun. So nimmt man den Duft des Reinigungsmittels negativ auf, wenn man auf der durchreise im Stress ist und so in dem Moment keine gute Laune hat. Ist einem der Geruch allerdings positiv in Erinnerung, kann es daran liegen, dass man mit diesem eine schöne Zeit in der Grundschule verbindet. Ein weiterer Faktor für die Antwort auf die Frage, wie wir einen Geruch aufnehmen ist, die Art mit welchem Kontext wir diesen verbinden. Wird einem beispielsweise dauerhaft gesagt, wie sehr das Reinigungsmittel stinkt, wird man keine positiven Erinnerungen daran haben. Genauso natürlich auch anders herum. Sagt einem die Mutter immer, wie gut Wofasept riecht, bleibt der Geruch in guter Erinnerung.
Genau aus diesen Gründen, entsteht der starke Wiederspruch zwischen den Meinungen der Ost- und Westdeutschen zu ein und demselben Geruch.

Geruch, Geruchssinn: Ãœber uns

Woran machen wir aus, ob ein Geruch positiv, oder negativ ist?

Am Tag atmen wir ungefähr 17.280, wobei wir beim Atmen durch die Nase Gerüche aufnehmen. Diese Gerüche lösen bei uns unterschiedliche Gefühle aus. Aber woran machen wir aus, ob diese positiv oder negativ sind? Verantwortlich dafür sind die Emotionen, die beim Riechen in Verbindung mit unseren Erinnerungen geweckt werden. Hierbei spielen unsere Erinnerungen insofern eine Rolle, dass wir mit verschiedenen Erlebnissen, die positiv oder negativ sind einen Geruch verbinden. Wenn man nämlich zum Beispiel seinen Geburtstag immer schön gefeiert hat und man diesen Moment immer mit dem Duft der Kerzen verbunden hat, wird man diesen Geruch immer positiv damit verbinden. Auch über mehrere Jahre bleiben diese Gerüche immer im Gedächtnis, positiv oder negativ. Häufig verbindet man auch spätere Ereignisse mit einem Geruch, der ein bestimmtes Gefühl in einem auslöst. Zudem ist der Geruchssinn eines der ältesten unserer Sinne. Die Gefühle, die wir mit den Gerüchen verbinden bleiben also auch noch bis zuletzt bestehen.

Geruch, Geruchssinn: Infos

Dieter E. Zimmer

85 Jahre alt (2019)

Damals war er ein Wissenschaftsjournalist und wollte etwas über den Geruchssinn generell, aber auch über seinen eigenen heraus finden.

Veröffentlichte zahlreiche Artikel im Bereich  Psychologie, Biologie, Anthropologie, Medizin, Linguistik, Kommunikationswissenschaft und des Bibliothekswesens

Geruch, Geruchssinn: Dienstleistungen

Interview mit Dieter E. Zimmer

Forscher des Geruchs nach der Wende in der DDR

Was hat Sie vorangetrieben, immer weiter nach dem Geruch der DDR zu suchen, obwohl Sie so viele Misserfolge hatten und sich dabei nicht entmutigen lassen haben?

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D.Z.: Was mich antrieb? Eben die Beobachtung, dass Gerüche sich aus dem Gedächtnis so schnell verlieren und man schnell machen muss, wenn man sie noch identifizieren will. Die Frage schien so einfach, und die Antwort rückte immer weiter weg. Mein eigenes Geruchsgedächtnis ist höchst unzuverlässig, musste ich schließen. Und dass meine unscheinbare Glosse darüber in der 'Zeit' so viel Zuspruch fand, bestärkte mich in der Meinung, dass es sehr wohl jenen charakteristischen DDR-Geruch gegeben hatte, dass die Menschen darüber aber nicht nachgedacht und gesprochen hatten.

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Wie beeinflusste der Geruch Sie und die Bewohner? Haben Sie Bewohner nach Ihrem Befinden gefragt?

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D.Z.: Ja, ein paar habe ich gefragt, ohne Ergebnis.

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Haben die Bewohner der DDR den Geruch der BRD auch anders wahrgenommen?

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D.Z.: Weiß ich nicht. Da sie ihm Tag für Tag ausgesetzt waren und nicht mit "Westgerüchen" vergleichen konnten, haben sie ihn wahrscheinlich gar nicht bemerkt.


Wie haben Sie mit Ihrer Recherche angefangen?


D.Z.: Ich hatte mich damals als Wissenschaftsjournalist jahrelang mit psychobiologischen Fragen (z.B. Lateralität des Gehirns, Gedächtnis, Orientierung) beschäftigt und sah hier eine Möglichkeit, etwas über meinen eigenen Geruchssinn und den Geruchssinn überhaupt in Erfahrung zu bringen, über den es wenig Literatur gab. Es war also eine Art Selbsttest.


Können Sie Ihren Weg der Recherche beschreiben?

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D.Z.: Von zahlreichen Besuchen in Ostberlin hatte ich in Erinnerung, dass es in der "Osthälfte" des S- und Fernbahnhofs Friedrichstraße immer irgendwie eigentümlich gerochen hatte und in anderen öffentlichen Gebäuden Ostberlins ebenfalls. Ich hatte diesen Geruch Anfang 1990 irgendwie "in der Nase"; hätte mir damals jemand sonst wo eine Flasche mit ihm unter die Nase gehalten, hätte ich ohne jeden Zweifel auf Anhieb gewusst: genauso riecht es, wenn man aus dem Westen in den Bahnhof Friedrichstraße usw. kommt. Aber warum riecht es da so anders als auf den westlichen S-Bahnhöfen? Danach fragen konnte man niemand; Geruch war kein seriöses Thema. Die Leute wären unter Umständen sogar beleidigt gewesen, als hätte man ihnen gesagt: 'Bei euch im Osten stinkt es immer so.' Dass in großen öffentlichen Gebäuden der gleiche Geruch "hing", legte die Vermutung nahe, dass der Geruch mit den speziellen Reinigungsmitteln zu tun hatte. Nun verschwanden damals manche Eigentümlichkeiten des DDR-Alltags in rasender Geschwindigkeit. Mir war klar, dass man diesen Geruch schnell dingfest machen musste, bald wäre er nirgends mehr zu finden, es wüsste auch niemand mehr, dass es ihn überhaupt gegeben hatte. Bei dem ersten Besuch auf der Spur des Geruchs war er schon im Bahnhof Friedrichstraße viel schwächer als vorher. Das Reinigungspersonal, das ich fragte, behauptete nicht zu wissen, woher der Geruch rührte, sie hatten sich offenbar die Frage nie gestellt und hielten sie für die Marotte eines arroganten Westlers.

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Was haben Sie bei Ihrer Recherche als wichtigsten Anhaltspunkt empfunden oder was war für Sie die wichtigste Erkenntnis?

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D.Z.: Wenn der Geruch wirklich an einem bestimmten Reinigungsmittel lag, musste es das auch in den Drogerien zu kaufen geben. Darum machte ich mich auf die Suche nach den Drogerien in den Straßen nördlich und südlich des Bahnhofs Friedrichstraße (die historischen Stadtteile Dorotheenstadt, Friedrichstadt und Friedrich-Wilhelm-Stadt). Zu meinem Erstaunen hatten die meisten Drogerien schon gar keine Ostprodukte mehr in den Regalen. Von den paar, die es noch gab, kaufte ich je eine Flasche, etwa zehn Stück, und roch dann zu Hause in Ruhe an allen. Bei den meisten wusste ich auf der Stelle: Dieser Geruch war es jedenfalls nicht. Bei etwa dreien war ich unsicher. Aber je öfter ich an ihnen roch. umso unsicherer wurde ich. Am ähnlichsten schien mir noch das Desinfektionsmittel Wofasept aus dem VEB Chemiekombinat Bitterfeld zu riechen. Das hätte es sein können. Aber sicher war ich nicht. Der originale Geruch in meiner Nase vermischte sich mit den anderen und verlor sich, und ich würde ihn nie wiederfinden.


Haben Sie sich auch mit dem Hersteller des Reinigungsmittels Wofasept beschäftigt? Falls auch dies zutrifft, welche Erkenntnisse haben Sie gemacht?

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D.Z.: Nein. Wie hätte ich mich an den in Auflösung befindlichen VEB wenden können? Die hätten mich für verrückt gehalten.

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War der Geruch für Sie positiv besetzt?

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D.Z.: Leicht negativ. Desinfektionsmittel geben nun einmal keine Wohlgerüche ab.

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Haben Sie den Eindruck das der Geruch für die Bewohner ein Heimatgefühl hervorruft oder ehre ein beklemmendes Gefühl hervorruft?


D.Z.: Weiß ich nicht.

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Umfrage in ehemaliger DDR

Wir wollten selbst überprüfen, wie viele Menschen sich wirklich noch an die Gerüche in der DDR erinnern.

Geruch, Geruchssinn: Willkommen

Diagramm zur Umfrage in Wismar

  • Anzahl Befragter: 49 Passanten

  • Bewohner aus Wismar

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Geruch, Geruchssinn: Ãœber

Fazit

zu unserem Ausflug in Wismar

Bei unserer Umfrage am 25.01.2020 in Wismar, haben wir uns ein Bild über das Empfinden gegenüber dem Geruch der DDR verschafft. Als wir nach unserer 2 ½ stündigen Busfahrt unser Ziel erreichten, machten wir uns auf den Weg in die Wismarer Altstadt. Um uns erstmal einen Überblick zu verschaffen, fragten wir einige Passanten, ob diese aus der DDR stammten. Dies bejaten circa 2/3. Danach fragten wir das restliche Drittel, ob diese gelegentlich in der DDR Urlaub gemacht hätten, was zu 100% bejat wurde. Also haben wir uns bei allen Befragten erkundigt, ob diese in der DDR einen bestimmten Geruch wahrgenommen hätten. Dies stimmte die Mehrheit zu, dennoch gaben sie andere Gründe an. 10 Personen hatten den Braunkohle-Geruch in Erinnerung, 9 Personen erinnerten sich, da wir die Umfrage in Wismar gemacht haben, an den Geruch der Zuckerfabrik, 7 Personen erinnerten sich an den Trabbi-Geruch und 23 und somit die Mehrheit hatten den Geruch von Wofasept als „Den Geruch der DDR“ in Erinnerung.
Als wir die Passanten gefragt hatten, wie sie den Geruch empfunden hätten, machten wir eine erstaunliche Entdeckung. Die ehemaligen DDR-Bürger empfanden den Geruch als positiv oder neutral und beschrieben ihn als angenehm. Die ehemaligen BRD- Bewohner hingegen empfanden ihn in der Mehrzahl negativ. Sie beschrieben ihn als bestialisch, rauchig, schmutzig, nicht frisch, muffig. Als ein Beispiel erzählten uns die DDR-Bewohner, dass Wofasept sogar zum Baden der Kinder benutzt wurde oder auch in Grippezeiten zum Reinigen für „Alles“ benutzt wurde.
Eine ehemalige Westdeutsche erzählte uns, dass sie Wofasept mehrmals beim Reisen mit dem Flugzeug mit DDR- Maschinen gerochen hätte, wobei sie sich durch den Geruch nicht wohlgefühlt hätte. Auch auf öffentlichen Toiletten an der Grenze bemerkten BRD-Bewohner den Geruch des Reinigungsmittels Wofasept. Sie beschrieben außerdem, dass der Geruch an ihren Schuhen kleben geblieben sei und man diesen aus dem Grund auch noch über die Grenze hinaus gerochen hätte. Doch als wir fragten, ob ihnen der Geruch nach der Wende ein weiteres Mal begegnet sei, verneinten dies alle befragten. Schließlich befragten wir die Passanten, ob sie einen vergleichbaren Geruch in der heutigen Bundesrepublik bemerkt hätten, was wiederrum von allen befragten verneint wurde.
Zusammenfassend können wir sagen, dass der Ausflug nach Wismar ein voller Erfolg war.

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